OASE – Kunst in der Wüste

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Die Wüste steht im Gegensatz zum Begriff »Oase« als Synonym für einen lebensfeindlichen Ort. Allerdings ist die Wüste ein nicht so kunst-ferner Ort, wie man im ersten Moment annehmen könnte. Angefangen bei den 1500 Jahre alten Wüstenzeichnungen in Peru über die »Renaissance« der Wüste Ende der 1960er Jahre im Film (Easy Rider, Zabriskie Point) und in der Land-Art (u. a. Otto Heinz Mack, Walter De Maria, Robert Smithson, Hannsjörg Voth) bis hin zur Wüste als Inspiration und Motiv (Georgia O’Keeffe, Todd Walker, Boris Becker, Vija Celmins etc.) erscheint bei genauerer Betrachtung der eigentlich lebensferne Ort »Wüste« fast schon als Oase der Kunst.

Der Konzeptkünstler Robert Barry versuchte sich beispielsweise dort von der Vorstellung zu lösen, dass Kunst sichtbar sein müsse, indem er in der Mojave-Wüste Edelgas aus einer Gasflasche in die Atmosphäre entströmen ließ. Vor allem jedoch in der Land-Art, die Ende der 1960er Jahre in den USA als eine Form der Konzeptkunst entstand, wurden häufig Großprojekte in abgelegenen, einsamen Wüstenzonen realisiert. Verstanden wurde die Land-Art als Abkehr vom üblichen Kunstbetrieb (die Werke waren in ihren Dimensionen kaum transportabel und daher nicht verkäuflich). Zudem übte die unmittelbare Wirkung der Landschaft und der Naturmaterialien ihren eigenen Reiz auf die Künstler aus, die ihre Objekte häufig in geometrischen Grundformen, die für jeden leicht entschlüsselbar sind, realisierten. Kreis, Linie und Spirale, die bereits in den peruanischen Wüstenzeichnungen erscheinen, finden sich im Werk von Hannsjörg Voth, Michel Heizer, Richard Long und anderen Hauptvertretern der Land-Art wieder.

In abgelegenen, zivilisationsfernen Orten wie Wälder, Gletschergebiete und natürlich der endlosen Weite der Wüste, die er als »Stätten großer Kraft und Kontemplation« bezeichnet, hinterlässt Richard Long Spuren, indem er hin- und herläuft, bis eine »getrampelte« Linie entsteht, oder indem er aus Fundsteinen die universelle Form des Kreises bildet. Dennis Oppenheim wiederum ließ im Wüstenhimmel ein Flugzeug so lange kreisen, bis sich die Abgase des Fliegers zu einer Spirale verdichtet hatten (Whirlpool, Eye of the Storm, 1973), oder zeichnete mit Asphaltfarbe ein riesiges Kreuz in die kalifornische Wüste (Relocated Burial Ground, 1978). Teilweise wurde mit metertiefen Grabungen und Sprengungen deutlich in die Umgebung eingegriffen, wie z. B. durch Michael Heizer, der vor allem in den Wüsten von Arizona, Nevada und Kalifornien arbeitete. Mit Bulldozern und Dynamit wurden für das Werk Double Negative (1969) zwei 9 m breite und 15 m tiefe, exakt lineare 450 m lange Einschnitte in der Wüste bei Las Vegas vorgenommen. Viele Künstler der Land-Art zeigen eine Neigung zum Gigantismus, die sich natürlich vor allem in der endlosen Weite der Wüste realisieren lässt. Walter De Maria plante zwei parallele Mauern in der Sahara, beide übermannshoch und jeweils eine Meile lang. Der Projektkünstler Hannsjörg Voth verwirklichte zusammen mit einheimischen Handwerkern in der Marha-Ebene in Marokko drei Bauten aus Stampflehm: die 16 m hohe Himmelstreppe (1980–1987), die nach der Fibonacci-Reihe konstruierte Goldene Spirale (1992–1997), die nach 260 m an ihrem höchsten Punkt 6 m erreicht, sowie Beobachtungstürme für das Sternbild Orion, die Stadt des Orion (1997–2003), errichtet auf einem Grundriss von 40 x 100 m. Diese überdimensionalen Bauskulpturen, heute touristischer Anziehungspunkt, bringen neues Leben in die Wüste. Das Licht in der Wüste hatte bereits im 19. Jahrhundert nach einer Nordafrika-Reise Eugène Delacroix und Anfang des 20. Jahrhunderts Paul Klee und August Macke inspiriert. James Turrell ließ in den 1970er Jahren den erloschenen Vulkankrater Roden Crater in der Wüste von Arizona zu einer unterirdisch angelegten Lichtinstallation umbauen, um in diesem Observatorium Himmel, Sonne und Sterne neu erfahrbar zu machen.

Gerade die kargen Verhältnisse, die unendliche Weite sowie die reduzierten Formen der Wüste geben Künstlern vielfache Anregungen und dienen immer wieder als Motivgeber.
Die mysteriöse Schönheit der kargen Wüstenlandschaft wird im Werk der amerikanischen Künstlerin Georgia O’Keeffe reflektiert. Sie lebte in der Wüste von Sante Fe, sammelte dort vom Wind polierte Knochen, die sich ebenso wie Wüstenblumen und natürlich die Landschaft selbst in ihren Bildern wieder finden. Der Nürnberger Künstler Werner Knaupp verarbeitete die Eindrücke einer Sahara-Reise in Federzeichnungen, die 1965 in seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Defet – in der im Übrigen heute das Institut für moderne Kunst Ausstellungen zeigt – präsentiert wurden (»Da fährt einer aus Nürnberg nach Afrika und zählt die Sandkörner in der Wüste« so Horst Antes in seiner Eröffnungsrede).
Der weite Sternenhimmel der Wüste wirkt auch in den Zeichnungen der Künstlerin Vija Celmins nach. Sie beschränkt sich auf wenige Motive wie den Himmel oder den steinigen Wüstenboden, die Wellen der bewegten Meeresoberfläche oder dichte Spinnennetze, die sie hyperrealistisch in unterschiedlichen Techniken wie Zeichnung, Druckgrafik oder Malerei wiederholt. Durch die Bilder, die die Wüstenlandschaft bietet, wurden auch die Fotografen Todd Walker, der seit 1970er Jahren in Arizona lebt und arbeitet, und Boris Becker inspiriert, der mehrfach Reisen durch die Sahara, die Wüste Namib und weitere arabische Wüsten auf den Spuren von Lawrence von Arabien unternahm. Städte, die seit 1979 in der Wüste um Kairo gebaut werden, wurden durch die belgische Fotografin Aglaia Konrad dokumentiert. In eine ähnliche Richtung führt die Arbeit Sinai Hotels des Künstlerduos Haubitz+Zoche, die mit den Fotografien der unvollendet gebliebenen Luxushotel-Anlagen an der Küste der ägyptischen Halbinsel zeigten, was Todd Walker in seinem Künstlerbuch The Story of The Abandoned Shack in the Desert so treffend beschreibt: »and the desert took the whole place«.